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Richard Wagner, Das reine Menschliche


In der langen Liste der Publikationen über Wagner finden sich viele Wiederholungen und zahllose alte Ansätze, vor allem aber findet sich ein substantieller Mangel an Perspektiven. Üblicherweise wird der Einfluss abgehandelt, den Wagner auf die mitteleuropäische Musik der folgenden Generationen hatte, aber es geht um mehr, um viel mehr, nämlich um  eine Hermeneutik, die der Frage nachgeht, wie viel und was konkret die Wagnerschen Innovationen heute zu sagen haben oder, besser noch, inwieweit und unter welchem Aspekt es der Kultur unserer Tage gelingt, sich die riesige Hinterlassenschaft der Wagnerschen Musikdramaturgie zu eigen zu machen, mithin um die Frage nach der Bedeutung Wagners für die Gegenwart.
 
Wagners Wirkung entstand nicht aus einer Isolation heraus, sondern ist das Ergebnis einer langen Reihe intensiver Kontakte, von denen aus musikalischer Sicht die wichtigsten diejenigen mit Berlioz und Liszt in den Vierziger und Fünfziger Jahren des 19. Jahrhundert waren. Danach entwickelte sich der musikalische Gedanke Wagners selbständig weiter. In intellektueller Hinsicht war die Befassung mit Bakunin, Feuerbach und vor allem mit Schopenhauer und Nietzsche von herausragender Bedeutung. Letzterer spielt mit seinen Schriften eine wesentliche Rolle für die Hermeneutik, haben sich doch auf ihn nahezu alle Musikwissenschaftler, Kritiker, Soziologen und Literaturwissenschaftler bezogen.
 
Aus biografischer Sicht sind über die Beziehungen zu Musikern und Philosophen hinaus die Kontakte zu den Frauen, den Freunden und zum bayerischen König Ludwig von grundlegender Bedeutung.  Aber nicht nur das: Wagner blickt immer wieder auch in die Vergangenheit, von Gluck bis Beethoven, von den antiken Dichtern und den griechischen Philosophen bis Shakespeare; zahlreich sind seine Bezüge zur Pariser Kultur der Dreissiger Jahre und zu den Themen der Romantik im allgemeinen, zu den Unterschieden zur französischen und italienischen Oper sowie zum Versuch einer Definition dessen, was die deutsche Oper sein sollte; unzählig sind schliesslich die Verweise und die wechelseitigen Beeinflussungen zwischen dem Wagnerschen Denken und der Entwicklung einer deutschen Sozialpolitik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit seinen Überlegungen zum Staat, zum Nationalismus und zum Antisemitismus, zur Natur des deutschen Volkes und zur Religion, zur deutschen Musiktradition und zu den Beziehungen zwischen Drama, Musik und Gesellschaft. Und das sind nur einige der Probleme, mit denen Wagner sich von Jugend an sein ganzes Leben beschäftigt hat, und die deutliche Auswirkungen auf die Kultur und die Musik des gesamten 19. Jahrhunderts bis in unsere Tage haben.
 
Das erste Kapitel Richard Wagner, Das reine Menschliche analysiert den kulturellen Kontext der Romantik, in dem der junge Wagner, insbesondere in den für seinen künstlerischen Reifeprozess so wichtigen Pariser Jahren, zu agieren hatte. Zu Beginn des zweiten Kapitels werden seine Lehrjahre untersucht, beginnend mit der Rückkehr aus Paris nach Dresden, wobei der Autor Schritt für Schritt und in chronologischer Reihung  Oper für Oper bespricht. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei auch der Beziehung Wagners zu Italien zuteil, sowohl was sein schwieriges Verhältnis zum Melodrama als auch zu den von ihm besuchten Orten, vor allem zu Venedig anbelangt. Dabei geht es sowohl um die Beziehungen Wagners zu Italien als auch Italiens zu Wagner.
 
 
 




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